Freiheit ist ein begehrtes Ziel für den Menschen. Ein Menschenrecht, das in der allgemeinen Menschenrechtserklärung wie ein roter Faden nahezu alle Artikel durchzieht. Doch was Freiheit für jeden Einzelnen bedeutet, ist sehr unterschiedlich. Wo beginnt sie und wo hört sie auf – im beruflichen oder privaten Zusammenleben mit anderen Menschen, deren Wünsche und Sehnsüchte sich gar nicht so sehr von unseren eigenen unterscheiden, auch wenn sie mit anderem Gepäck unterwegs sind?
Um Freiheit in einem reifen und nicht widerständig-rebellierenden Sinne zu verstehen und auch zu leben, braucht es Verantwortung. Eigenverantwortung wie auch Verantwortung für das uns umgebende Ganze. Denn Freiheit ohne Verantwortung geht immer auf Kosten anderer. Nach dem Motto:
„Ich bin so frei, nehme mir die Freiheit und tue nichts. Mache nur, was ich will, aber muss dann auch von anderen versorgt werden, um zu überleben oder gerettet werden, um nicht Schaden zu nehmen.“
Von unseren Teenagern, die mit dem Recht der Heranwachsenden das Prinzip Selbstbestimmung und Selbstbehauptung auf dem Rücken der Eltern ausprobieren dürfen, kennen wir das. Aber diese Erfahrung sollte in heiler Version in Verantwortung münden und damit in dem Erkennen der kausalen Resonanz von Innen und Außen, Geben und Nehmen, säen und ernten. Der Denkfehler ist und bleibt an dieser Stelle oftmals, dass wir uns grade von Verantwortung und der Vorstellung, dass sie uns in eine Verpflichtung bringt, fremdbestimmt fühlen, dass wir darüber Freiheit verlieren, während selbstbestimmtes Handeln so verstanden wird, dass wir uns von keinem etwas sagen lassen und nur unser Ding machen. Dann wären wir frei.
Freiheit ist ein Geben und Nehmen
Für die meisten Menschen gilt nun aber: auch wenn wir uns alleine fühlen mögen, sind wir es nicht. Im zwischenmenschlichen, partnerschaftlichen oder gemeinschaftlichen Sinne ist ein solcher Ansatz ein einseitiger Prozess der Ernte – ohne Aussaat. Der energetische Stoffwechsel von Geben und Nehmen gerät in Schieflage und kann niemals ein tief innerlich empfundenes Gefühl von Freiheit hervorbringen, da es auf Vermeidung basiert. Freiheit liegt niemals in der Einseitigkeit, niemals in Extremen, die immer eine Schieflage zu dem anderen – ungewollten – Extrem bedeuten. Paradoxerweise brauchen Extremen immer das andere Extrem als Gegengewicht, da sonst die Illusion zerstört wird. Freiheit entsteht vielmehr durch Balance, eine Balance von Innen und Außen, Ich und dem Anderen bzw. dem Ganzen – zunächst ganz gleich, wer ich darin bin. Wir sind im Leben alle etwas Gemeinsames aber immer auch etwas Eigenes, Einzigartiges, solange wir uns auch als solches erkennen. Das, was der Schlüssel ist, ist das innerliche Ja zur eigenen Person und zu dem Platz, an dem wir uns grade befinden, so dass wir es als bewusste, selbstbestimmte Entscheidung spüren – Stand jetzt -, ganz gleich welche Sachzwänge, Umstände und Bedingungen gegenwärtig auch noch eine Rolle spielen. An diesem Punkt gewinnen wir unsere Eigenmächtigkeit zurück und darüber auch die wachsende Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln, falls ein neuer Schritt gegangen, eine Veränderung herbeigeführt, eine neue Balance hergestellt werden muss.
Freiheit beginnt demnach als eine geistige Haltung, zu der wir uns selbst ermächtigen können. Sie ist das bewusste Erkennen der eigenen Person im notwendigen Ganzen gemäß der Frage: Kann ich Ja sagen zu dem, was ich lebe? Bin ich am richtigen Platz? Wer hält die Zügel meines Lebens in den Händen? Stimme ich mit meinen Motiven, Absichten und Entscheidungen von früher nach wie vor überein?
Was ist nun aber, wenn ich ein lautes NEIN in mir habe? Auch dann beginnt der erste Schritt mit dem Erkennen dieser Situation und sie mit einem Ja (so ist es) in die eigene Verantwortung zu heben. Auch wenn wir einmal unsere blockierenden Muster über ein Außen erlernt haben. Die äußere Welt ist uns die Erlösung nicht mehr schuldig. Die Verantwortung und der Ausgangspunkt der Veränderung liegt in uns selbst. Wäre dies nicht so, würden die Zügel des eigenen Lebens immer in äußerer Hand bleiben. So wie wir nun Verantwortung übernehmen, uns in uns selbst in Freiheit, Übereinstimmung und Balance zu bringen, findet dies seine äußere Entsprechung. Wie Innen so Außen. Und so wie unsere innere Freiheit unsere Eigenverantwortung und das Ja zu uns selbst braucht, so braucht die fortgesetzte Freiheit in unserer äußeren Welt ebenso unsere Verantwortung – nämlich unsere Antwort, auf die Fragen, die das Leben an uns stellt. Dazu gehört auch, sich darüber bewusst zu werden, dass wir Ausgangspunkt unseres Erlebens sind und Verantwortung für die Fragen und Resonanzen in unserem Leben übernehmen müssen. Nur so kann Freiheit eine spürbare Balance von Geben und Nehmen, Innen wie Außen, säen und ernten werden. Der Platz, den wir dann im Ganzen einnehmen – ob partnerschaftlich, beruflich, familiär – passiert uns dann nicht einfach und wenn es schief geht, sind eben die anderen Schuld. Sondern der Platz ist ein bewusstes Ja, mit dem wir weitergehen, wachsen, gestalten, entwickeln, erschaffen, verändern oder bewahren können.
Die Wurzeln der Freiheit liegen in der Haltung – Verantwortung ist ihr Rückgrat!
Vielen Dank für diese wunderschöne “Definition” von Freiheit. Sie gefällt mir deswegen so gut, weil sie dem häufig sehr plakativ verwendeten Begriff eine Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit verleiht, so dass sie eigentlich auch als kleine Anleitung zum Glücklichsein verstanden werden kann. Toll!!
Vielen Dank, Frau Rauch! Wir sehen das auch so, der plakativ verwendete Begriff ist häufig sehr “flach” – mit wenig Tiefgang und ohne Gedanken an die Notwendigkeiten, die Freiheit mit sich bringt.
Und in diesem Verständnis von Freiheit steckt sehr viel vom Glücklichsein (z.B. das innerliche Ja, Verantwortung als Bedingung), da haben Sie vollkommen Recht.