Der Chef wird gesiezt, und alle Führungskräfte bis zum Geschäftsführer gleich auch. Gute Kollegen duzen sich oft, seltener auch zwischen den Abteilungen, je nach dem. Das war schon immer so – doch dann ändert es sich plötzlich: Das Management hat entschieden, dass im Unternehmen jetzt „Du“ angesagt ist.
Ein „legereres“ Miteinander wird zurzeit in vielen Unternehmen eingeführt. Das betrifft den allgemeinen Trend zum Du auch zwischen Hierarchieebenen, aber auch den Dresscode im Büro. Wer früher immer Krawatte tragen musste, darf es jetzt schon manchmal gar nicht mehr, das sei veraltet und wirke zu dominant und konservativ. Da lieber Sneaker zum Anzug ohne Schlips, damit die Mitarbeiter ein Unternehmensbild der Wohlfühlatmosphäre und Lockerheit vermitteln. Wir sind hier jung, agil, flexibel. Dabei sorgt eine plötzlich entschiedene „Lockerheit“ oft weder für ein Wertschätzungsgefühl beim Mitarbeiter, noch für eine Wohlfühlatmosphäre, denn vielen Mitarbeitern ist das distanziertere Sie gegenüber dem Vorgesetzen durchaus lieb. Sie fühlen sich überrumpelt und übergangen, wenn über ihren Kopf hinweg plötzlich ein „Du“ diktiert wird.
Duzen als Teil der Unternehmenskultur
Das Siezen oder Duzen, genauso wie der Dresscode, sind Teil der Unternehmenskultur:
Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen“ (Gabler Wirtschaftslexikon)
Damit sollte klar sein, dass eine diesbezügliche Veränderung nicht einfach verordnet werden sollte. Die Unternehmenskultur wird von allen Mitarbeitern und Führungskräften (=Organisationsmitglieder) mitgeprägt, es handelt sich um gemeinsame Werte usw., die die Kultur ausmachen. Und manche Unternehmenskultur – inklusive der Einstellung der Mitarbeiter wohlgemerkt – eignet sich eben nicht ad hoc für ein Du in Sneakers und ohne Krawatte. Eine Hauruck-Entscheidung zum Du, die die Mitarbeiter nicht einbindet, rüttelt an den festen Gewohnheiten – und kann damit nicht zuletzt gänzlich kontraproduktiv wirken.
Stoßen Sie solche Entwicklungen also von der inhaltlichen Seite an! Denken Sie zuerst über die eigene Unternehmenskultur nach, wie Sie selbst sie sehen, und wie andere sie sehen. Überlegen Sie: Welche Verhaltensweisen möchten wir bei uns im Unternehmen? Und vor allem: Wie leben wir diese vor? Binden Sie die Mitarbeiter ein, informieren Sie und dosieren Sie die Umsetzung und deren Tempo. Nur durch die Einbindung verschiedener Ansichten, gute Information aller Beteiligten und Umsetzungsplanung kann ein Change-Prozess gewinnbringend umgesetzt werden – und genau sowas ist auch ein „einfacher“ Wechsel vom Sie zum Du.